Themen

Nachfolgend werden laufend Kurzbeiträge zu bestimmten Themenbereichen veröffentlicht, die für Frauen der Altersgruppe 60+ in ländlichen Regionen relevant sein können.

 

Stigmatisierung psychischer Erkrankungen im ländlichen Raum

Psychische Belastungen stehen in den letzten Jahren immer mehr im Fokus, quer über alle Alters- und Berufsgruppen. Wie die für Österreich repräsentative Studie „Psychische Gesundheit in Österreich“ aus dem Jahr 2020 zeigt, sind oder waren in der Vergangenheit insgesamt 39% der Menschen in Österreich von einer psychischen Erkrankung betroffen; nicht einmal drei Viertel der Befragten würden allerdings den engsten Vertrauten von ihrer psychischen Krankheit erzählen.
Auch wenn das Thema insbesondere durch die Pandemie nun nicht mehr ganz so stark tabuisiert wird – vor allem von jüngeren Personen, sind psychische Erkrankungen bzw. die Inanspruchnahme von entsprechenden Unterstützungsangeboten gerade im ländlichen Raum häufig noch mit einer gewissen Stigmatisierung verbunden.
                            „Wenn irgendwo etwas mit psychisch draufsteht, wird das erst einmal so quasi skeptisch gesehen oder

                              halt mit einem bestimmten Bild von Leuten verbunden, die da hineingehen.“
                           „Sie konnte erst zur Psychotherapeutin gehen, als die Psychotherapeutin ihre normale Praxis zugesperrt

                           hat und quasi dann im Hinterzimmer des Dorfarztes ihre Praxis gehabt hat. Weil da konnte sie dann mit

                           dem Auto davor stehen bleiben und es hat nicht jeder sofort gewusst: Sie ist bei der Psychotherapeutin,

                           weil sie hätte genauso beim Dorfarzt sein können.“
Gerade in ländlichen Gebieten, wo sich die Menschen eher kennen – im Vergleich zur Anonymität der Großstadt, ist demnach Sensibilisierung, Aufklärungsarbeit und Enttabuisierung über die ganze Bevölkerung hinweg noch immer ein wichtiges Thema. Oft sind es auch Familienangehörige, die versuchen zu vermitteln und eine entsprechende Unterstützung einzufädeln, weil sie merken, dass dies zu Hause ein Thema oder Konflikt ist. Die wichtigste Botschaft diesbezüglich sollte sein: Sich Hilfe bei psychischen Erkrankungen zu holen, ist kein Zeichen von Schwäche!

Bäuerinnen als eine besonders von Belastungen und psychischen Erkrankungen bedrohte Gruppe

In der Land- und Forstwirtschaft tätige Personen sind generell mit hohen körperlichen, psychischen, sozialen aber auch wirtschaftlichen Anforderungen und Belastungen konfrontiert. So stehen betriebsführende Bäuerinnen und Bauern bzw. deren Familien einem steigenden unternehmerischen Risiko und Unsicherheiten gegenüber (bspw. Ernteausfälle aufgrund des Klimawandels). Zudem stehen Land- und Forstwirt*innen in einem Spannungsfeld unterschiedlicher gesellschaftlicher Anforderungen, etwa rund um Klima- und Tierschutz auf der einen und dem Erhalt der Ernährungssicherheit und der Produktion „günstiger“ Lebensmittel auf der anderen Seite. Gleichzeitig können die Arbeitsbedingungen – zumal auf kleineren Höfen oder im Nebenerwerb – körperlich sehr anstrengend bzw. überfordernd sein. Außerdem sind krankheitsbedingte Ausfälle oder urlaubsbedingte Absenzen schwer zu organisieren und kompensieren. Betreuungsaufgaben für Kinder oder anderer Angehörige können dieses Arbeits- und Belastungspensum zusätzlich erhöhen – was insbesondere auf Bäuerinnen zutrifft, da diese Tätigkeiten überwiegend von Frauen übernommen werden. 

Demographische und gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, Änderungen partnerschaftlicher und familiärer Strukturen und weitere Faktoren haben ebenfalls Auswirkungen auf Land- und Forstwirt*innen, etwa bezogen auf die Hofnachfolge und -übergabe, Möglichkeiten einer partnerschaftlichen Hofführung, familiäre Zusammenhänge oder Vereinsamungserfahrungen. Die sogenannte Landflucht und Abwanderung aus dörflich geprägten Regionen können dazu beitragen, dass dörfliche Zusammenhalte fehlen und sich spezifische Probleme in abgeschiedenen Lagen verschärfen.

Als Folge gelangen (inter-)nationale Studien dabei zu dem Ergebnis, dass das Berufsfeld der Land- und Forstwirtschaft nicht nur mit hohen psychischen und sozialen Anforderungen und Belastungen verbunden ist, sondern Land- und Forstwirt*innen auch überdurchschnittlich häufig von psychischen Erkrankungen betroffen sind.

Als Bäuerin ab 60+ wird nun oftmals – auch wenn das Pensionsantrittsalter bereits überschritten wurde – trotzdem noch am Hof mitgearbeitet und/oder werden Pflege- oder Betreuungstätigkeiten übernommen bspw. für Enkelkinder, um die nachfolgende Generation zu unterstützen. Diese Belastungsfaktoren können daher insbesondere bei dieser Berufsgruppe weit über das Pensionsalter hinaus reichen.

 

Gewalt im ländlichen Raum

Gewalt hat unterschiedliche Formen und reicht von psychischer Gewalt (Beleidigung, Beschimpfung, Demütigung) über materielle Gewalt (Kontrolle finanzieller Ausgaben und persönlicher Sachen), sozialer Gewalt (Kontakteinschränkung zu Anderen) bis hin zu körperlicher und sexualisierter Gewalt (sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt). Je nach Gewaltform und Gewaltraum (bspw. häusliches Umfeld, Partnerschaft) ergeben sich dabei starke geschlechtsspezifische Unterschiede: So sind Frauen von allen Gewaltformen deutlich stärker betroffen als Männer mit Ausnahme von körperlicher Gewalt. Zudem sind sie gehäuft Sexualstraftaten und Partnerschaftsgewalt ausgesetzt. Männer weisen demgegenüber eine stärkere Viktimisierung von körperlicher Gewalt auf, die allerdings in erster Linie außerhalb der Partnerschaft erlebt wird. Laut Statistik Austria zu Gewalt gegen Frauen haben 14% der Frauen im Alter von 18 bis 74 Jahren in ihrem bisherigen Leben (Lebenszeitprävalenz) körperliche Gewalt in der Partnerschaft erfahren, 8% wurde körperliche Gewalt angedroht, 37% haben psychische Gewalt erfahren und 7% sexuelle Gewalt in der Partnerschaft.
Bei der Darstellung von Gewalthandlungen wird allerdings auch von einem sogenannten Dunkelfeld ausgegangen: Oft sind Gewalterfahrungen tabuisiert und Menschen sprechen nicht darüber oder bringen diese Gewalthandlungen nicht zur Anzeige, z. B. Gewalthandlungen in der Familie.
Seit 2017 gibt es zur Gewaltprävention in Österreich die Aktion „Gemeinsam.Sicher“, die durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Polizei, Bürger*innen und Institutionen und Behörden die Möglichkeit bieten soll, Präventionskonzepte zielgerichtet umzusetzen. Im Rahmen dieser Initiative wurde in den letzten Jahren bspw. auch das Programm „Coffe with Cops“ initiiert – ein adaptiertes amerikanisches Programm zur Vertiefung und Festigung der Beziehung zwischen der örtlichen Bevölkerung und der Polizei. Bei einer Tasse Kaffee lernen dabei die Menschen in den Gemeinden ihre Polizist*innen besser kennen, um Vorurteile und Barrieren in einer entspannten Umgebung abbauen zu können. Diese und ähnliche Aktionen könnten dabei unterstützen, das Vertrauen in die Polizei zu stärken – insbesondere auch in ländlichen Regionen – und in weiterer Folge auch der Tabuisierung von Gewalterfahrungen entgegenzuwirken. So könnten sich Gewaltopfer vielleicht auch verstärkt dazu durchringen, entsprechende Erfahrungen zur Anzeige zu bringen und damit die Dunkelziffer von Gewaltdelikten gesenkt werden. Insbesondere ältere Frauen im ländlichen Raum haben bspw. oft Angst davor, Gewalterfahrungen vor allem in der Familie bzw. im regionalen Umfeld anzusprechen. Während jüngere Frauen durch Initativen wie „Me-Too“ in diesem Bereich bereits mehr sensibilisiert sind, wird über die soziale Kontrolle bspw. im Sinne von „Was werden die Nachbarn denken“ auf ältere Frauen am Land noch mehr Druck ausgeübt.

 

Mobilität im ländlichen Raum

Mobilität ist im ländlichen Raum wichtig, um ein selbstständiges Leben führen zu können. Dort sind die oft weiten Distanzen teilweise nur mit einem individuellen Verkehrsmittel zu bewältigen, weil die öffentlichen Verkehrsmittel fehlen. Der Ausbau eines flexiblen und dichten öffentlichen Verkehrsangebotes stößt allerdings gerade im ländlichen Raum unweigerlich auf wirtschaftliche Grenzen. Umgekehrt besteht allerdings gerade dort der größte Bedarf an alternativen Mobilitätslösungen zum privaten Auto. Dies betrifft insbesondere etwa Frauen mit Betreuungspflichten, die viele Bring- und Holwege erledigen und über kein eigenes Auto verfügen. Eine in diesem Zusammenhang ebenfalls wesentlich zu berücksichtigende Zielgruppe sind ältere Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr dazu in der Lage sind, selbst zu fahren und alternative, öffentliche Verkehrslösungen benötigen.
Zudem fehlt eine an den öffentlichen Verkehrsmitteln ausgerichtete Siedlungs- und Raumplanung nach wie vor weitgehend. Im ländlichen Raum haben heute jene Gemeinden Standortvorteile, die an Bahnlinien liegen, sofern diese noch in Betrieb sind. Denn anstatt einer schrittweisen Verbesserung der Chancen für den öffentlichen Verkehr, wurden in der Vergangenheit aufgrund betriebswirtschaftlicher Überlegungen viele Regionalbahnen eingestellt. In Gemeinden, die bspw. über keine Bahnhaltestelle verfügen, gibt es allerdings auch bereits neue Ansätze von Mobilitätslösungen wie Carsharing Systeme auf Gemeindeebene oder kleinräumige Systeme wie Anrufsammeltaxis, Gemeindebusse, Jugendshuttlebusse etc. Diese stellen jedoch in erster Linie eine Ergänzung zum Linienverkehr dar und funktionieren als Zusatzsysteme. Zudem werden solche neuen Mobilitätssysteme auch nicht von allen Personen sofort angenommen. Insbesondere ältere Personen am Land stehen solchen neuen Systemen oftmals (erstmal) skeptisch gegenüber. Hier braucht es gute Vorinformationen und eine Einbindung der Wohnbevölkerung, um eventuellen Vorbehalten und Ängsten gegenüber neuen Mobilitätslösungen entgegen zu wirken.