Mitmachen
Ziel des Projekts „Wer (er)zählt? Wert und Vielfalt der Arbeit von Frauen 60+ im ländlichen Raum“ ist es, eine möglichst große Vielfalt an Frauenbiografien zu sammeln, um die gesamte Bandbreite an Lebensrealitäten von Frauen 60+ abbilden zu können.
Unten gibt es dazu Themenvorschläge und Beispielbiografien, die als grober Anhaltspunkt dienen sollen.
Im Rahmen des Projekts möchten wir dich/Sie nun ermuntern, uns deine/Ihre eigene Biografie anonym mitzuteilen. Bitte benutze/benutzen Sie dazu nachfolgendes Texteingabefeld:.
Beispielhafte Themen:
- Erwerbsarbeit
- Unbezahlte Pflege-, Betreuungs- und Hausarbeit
- Ehrenamtliche Tätigkeiten
- Gesundheit
- Psychische Belastungen
- Behinderungen und Erkrankungen
- Häusliche Gewalt
- Bildung
- Familiensituation
- Soziale Einbindung
- Migrationshintergrund
- Finanzielle Situation (z.B. Altersarmut)
- Mobilität
- Wohnsituation
- Trauer
- Tabuthemen (z.B. sexuelle Orientierung, psychische Erkrankungen usw.)
Beispielbiografie 1
Maria ist 73 Jahre alt und hat eine Lehre als Einzelhandelskauffrau gemacht. Sie hat bis zu ihrer Heirat im Alter von 22 Jahren als Verkäuferin in einem Supermarkt in Schwarzach gearbeitet. Kurz nach der Hochzeit ist ihr erster Sohn geboren worden. Mit 33 Jahren hat sie bereits vier Kinder, zwei Buben und zwei Mädchen. Sie hat mit ihrer Familie im Haus der alten Schwiegereltern gelebt, mit denen sie sich nicht gut verstanden hat. Kurz vor ihrem 40. Geburtstag hatte ihr Schwiegervater einen Schlaganfall und musste sehr intensiv gepflegt werden. Da ihre Schwiegermutter auch bereits sehr krank ist, musste Maria ihren Plan, wieder als Einzelhandelskauffrau zu arbeiten, aufgeben. Stattdessen kümmerte sie sich jahrelang intensiv um ihre Schwiegermutter. Heute hat sie alle Hände voll mit der Betreuung ihrer sieben Enkelkinder zu tun. Mit ihrem Mann versteht sie sich nicht mehr besonders gut. Weil sie keine eigene Pension erhält, bleibt sie trotzdem mit ihm zusammen.
Sie versucht, sich durch regelmäßige Bewegung fit zu halten – auch weil sie möglichst lange unabhängig bleiben will. Der wöchentliche Besuch im Fitnessstudio und die Teilnahme an Wanderungen haben auch eine wichtige soziale Komponente: Der Austausch mit den anderen Frauen ist ein wichtiger Fixpunkt in ihrem Leben.
Beispielbiografie 2
Karin, 67 Jahre alt und Sozialarbeiterin im Ruhestand, lebt in Mittersill. Während ihrer langjährigen Tätigkeit als Sozialarbeiterin hat sie insbesondere mit Frauen zusammengearbeitet, die Opfer häuslicher Gewalt wurden. In ländlichen Gebieten, wo Isolation und begrenzte Ressourcen oft die Situation erschweren, hat sie erlebt, dass Betroffene nur schwer Zugang zu Unterstützung finden. Ihre Auseinandersetzung mit dem Thema war nicht nur beruflich motiviert. Karin war selbst in einer missbräuchlichen Beziehung und konnte nach einer schwierigen Phase den Ausweg finden. Diese persönliche Erfahrung führte dazu, dass sie nach ihrer beruflichen Laufbahn ein Netzwerk für Frauen im Pinzgau gründete, die in ähnlichen Situationen leben. Ziel des Netzwerks ist es, den Betroffenen Unterstützung und Orientierung zu bieten. Heute engagiert sich Karin weiterhin ehrenamtlich. Sie bietet Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, Beratungen und Hilfestellungen an. Dies geschieht in ihrer Freizeit und ohne Entgelt, um Frauen in ländlichen Gegenden den Zugang zu Unterstützung zu erleichtern. Ihr Engagement basiert auf ihren Erfahrungen und ihrem Wissen aus der Zeit als Sozialarbeiterin.
Beispielbiografie 3
Cornelia, 76 Jahre alt, hat bis zu ihrer Pensionierung als Englisch- und Deutschprofessorin an einem Gymnasium in Bischofshofen gearbeitet. Sie lebt seit 30 Jahren gemeinsam mit ihrer Partnerin, die ursprünglich aus Deutschland kam, in einem Doppelhaus in St. Johann im Pongau. Nach außen leben sie als Freundinnen. Bis auf zwei enge Vertraute weiß niemand über ihre Liebesbeziehung Bescheid. Sie kennt in ihrem Umfeld kaum Frauen, die offen in gleichgeschlechtlicher Beziehung leben, das Thema ist nach wie vor ein großes Tabu. Sie glaubt, dass ihre Familie Bescheid weiß, aber niemand redet darüber. Die Verheimlichung ihrer Beziehung empfindet sie als große Belastung, aber ihre Angst, bei einem Outing Ablehnung und sozialen Ausschluss zu erfahren, ist größer. Sie wünscht sich Austausch mit Gleichgesinnten, weiß aber nicht, wohin sie sich wenden soll, ohne „aufzufliegen“.
Neben den Herausforderungen, die ihre Beziehung mit sich brachte, hatte Cornelia in den letzten Jahren auch mit einer chronischen Krankheit zu kämpfen. Diese Erkrankung schränkt ihren Alltag zunehmend ein und erfordert regelmäßige medizinische Versorgung. Ihre Partnerin steht ihr dabei stets zur Seite und unterstützt sie liebevoll, was ihre Bindung weiter gestärkt hat. Da ihre Krankheit weiter voranschreitet sorgt sie sich um ihre Zukunft. Sie weiß, dass ihre Partnerin sie nicht auf Dauer pflegen kann, gleichzeitig sind die Kosten für eine mobile Pflege sehr hoch.
Beispielbiografie 4
Karin Sophie ist Musikreiseveranstalterin. Ihr Leben lang hat die 66-Jährige viel gearbeitet, einen Großteil als Selbstständige. „Gekämpft habe ich vor allem damit, dass ich für alles zu wenig Zeit und ständig das Gefühl hatte, nicht zu genügen – als Mutter, als Ehe- oder Geschäftsfrau“, sagt Karin Sophie. Ihr Mann kümmerte sich kaum ums Familienleben, sie musste alles allein stemmen. Nach 26 Jahren Ehe und der Scheidung stand sie vor dem Nichts, ohne Wohnung, dafür mit Pfändungen und einem Leben am Existenzminimum. „Aber ich habe mich wieder zurückgekämpft und bin heute eine sehr zufriedene, glückliche Frau, die das Leben mit Kindern und Enkeln schätzt.“ (Quelle: if 1/24. if: informativ & feministisch. Aktuelle Information zu Frauen- und Gleichstellungsthemen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie interessierte Frauen und Männer).
Beispielbiografie 5
Svetlana, heute 64 Jahre alt, kam 1994, ein Jahr vor dem Ende des Bosnienkrieges, als Kriegsflüchtling nach Mittersill. Damals war sie 32 Jahre alt, und wie viele andere, die vor den Schrecken des Krieges flohen, musste sie alles zurücklassen: ihre Heimat, ihre Familie und ihr gewohntes Leben. Die ersten Jahre in Österreich waren geprägt von harter Arbeit und Entbehrungen. Sie schlug sich mit Putzjobs durch, bevor sie schließlich eine Anstellung als Reinigungskraft in einer Salzburger Industrieanlage fand. Diese Arbeit gab ihr zumindest etwas Stabilität, aber sie war körperlich anstrengend und wurde schlecht bezahlt.
Heute lebt Svetlana allein in einer kleinen Mietwohnung und bezieht eine Mindestpension, die kaum zum Leben reicht. Ihre Isolation hat sich im Laufe der Jahre verstärkt, denn es ist ihr nie gelungen, in Mittersill neue Freundschaften aufzubauen. Sprachliche und kulturelle Barrieren, aber auch die traumatischen Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit, hinderten sie daran, in der neuen Umgebung Wurzeln zu schlagen. Einsamkeit und Trauer prägen ihren Alltag. Diese Trauer stammt nicht nur aus dem Verlust ihrer Heimat, sondern auch aus dem Tod wichtiger Menschen in ihrem Leben. Viele ihrer alten Freunde und Familienangehörigen aus Bosnien sind entweder im Krieg ums Leben gekommen oder über die Jahre verstorben. Der Schmerz über diese Verluste sitzt tief, und da sie keinen festen Freundeskreis in Österreich hat, fehlt es ihr an Menschen, mit denen sie diese Trauer teilen kann.